Unser aktueller Blog-Artikel befasst sich mit einem Interview, das mit der Studentin Astrid Hill geführt wurde. Sie studiert an der Universität Koblenz-Landau Sozial- und Kommunikationswissenschaften, obwohl sie kein Abitur hat. Sie ist gelernte Erzieherin und hat einen Realschulabschluss. Nachfolgend erzählt sie Sara Pipaud, Campus-Reporterin und Mitglied des Uniblog-Teams, wie sie an die Uni Koblenz gekommen ist.
Du studierst ohne Abitur, was hast du davor gemacht?
Ich habe meinen Realschulabschluss 2012 in Hockenheim gemacht und danach eine Ausbildung zur Erzieherin in einer Kindertagesstätte begonnen. Die Ausbildung dauerte insgesamt vier Jahre. Nach dieser habe ich noch drei weitere Jahre in der Einrichtung als Teamleiterin gearbeitet. Zwischen der Ausbildung und meiner Anstellung habe ich noch ein Jahr als Au-pair in Irland verbracht, um meine Englischkenntnisse zu verbessern und Erfahrungen zu sammeln.
Wieso hast du dich im Anschluss noch für ein Studium entschieden?
Durch meine Arbeit als Teamleiterin habe ich gemerkt, dass mir organisatorische Aufgaben besonders viel Spaß machen und auch liegen. In dieser Position habe ich ein kleines Team geleitet, das aus sechs Personen bestand. Zusätzlich habe ich pädagogische Konzepte entworfen, Dienstpläne erstellt, Praktikanten eingelernt und mich nebenbei auch noch um die Kinder gekümmert. Durch diese Arbeit wurde mir bewusst, dass ich mich gerne fundierter mit dem Personalwesen auseinandersetzten und später lieber in einem Unternehmen in der Personalabteilung arbeiten würde. Ich will mehr über Kommunikation lernen und wie man Personal richtig anleitet und auswählt.
Wusstest du, dass dir deine Ausbildung ein Studium ermöglicht?
Nein, tatsächlich nicht. Ich habe von dieser Möglichkeit erst von einer Arbeitskollegin erfahren. Das war mir auch ganz neu. Ich glaube, Rheinland-Pfalz ist eines der wenigen Bundesländer, in denen dies möglich ist. Als ich davon erfahren habe, hat es mich natürlich sehr gefreut. Meistens ist es ja so, dass man nur mit Abitur studieren kann. Dass es auch ohne funktioniert, ist wirklich toll. Das Gehalt hat bei meiner Entscheidung für ein Studium tatsächlich keine Rolle gespielt. Mir ging es einfach um die Möglichkeit, mehr über den Bereich der Personalführung und des Personalwesens zu lernen.
Welche Voraussetzungen benötigt man für ein Studium ohne Abitur?
In Rheinland-Pfalz muss das angestrebte Studium fachgebunden sein. Das heißt, es sollte schon in gewisser Weise dem Themengebiet der Ausbildung ähneln. Ich glaube, der Schnitt des Ausbildungszeugnisses muss zudem besser als 2,5 sein. Genauere Informationen zu den Voraussetzungen gibt es auf der Website für Landesrecht in Rheinland-Pfalz. Mit dem Bachelor Sozial- und Kommunikationswissenschaften hatte ich ziemlich viel Glück, da dieser sehr breit aufgestellt ist und einem dadurch viele Möglichkeiten für spätere Berufe eröffnet – eben auch in Richtung Personalwesen.
Bereitet dir das Studium Schwierigkeiten beziehungsweise glaubst du, es wäre dir mit Abi leichter gefallen?
Anfangs hatte ich schon Angst davor, nicht mithalten zu können, da ich einfach nicht wusste, wie hoch die Anforderungen sein würden. Nach dem ersten Semester kann ich jetzt allerdings sagen, dass meine Angst unbegründet war. Ich komme gut mit und habe auch meine erste Klausurenphase erfolgreich überstanden. Die Themen in meinem Studiengang unterscheiden sich deutlich von dem, was ich in der Schule gelernt habe. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlt oder dass ich eine Benachteiligung aufgrund meines Abschlusses habe. Gefühlt ist es eher ein “neues Lernen” als ein Anknüpfen an bereits Gelerntes. In meiner Ausbildung ging ich auch weiterhin zur Schule und habe viel zum Thema Quellenangaben, richtiges Zitieren und Texte verfassen gelernt. Daher denke ich nicht, dass ich schlechter im Studium abschneide als jemand mit Abitur.
Was hast du aus deiner Ausbildung mitgenommen?
Ich habe auf jeden Fall das Einhalten von Zeitplänen mitgenommen. An der Uni kontrolliert niemand, ob man seine Aufgaben erledigt oder ob man mitkommt. In der Ausbildung ist das anders. Da muss man alles erledigen, um dabei bleiben zu dürfen. Das Gleiche gilt für das Berufsleben. Auch dort gibt es eigentlich keine andere Option, als seine Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu erledigen. Durch diese Erfahrung bin ich nicht von den vielen Abgaben überfordert und komme gut mit. Die Möglichkeit, Klausuren oder Abgaben zu schieben, musste ich daher bisher auch noch nicht in Anspruch nehmen.
Hast du Tipps für andere, die einen ähnlichen Weg einschlagen wollen?
Ein Studium bietet mehr Struktur als man denkt. Die Hauptsache ist, dass man am Ball bleibt. Man sollte sich auf keinen Fall davon verunsichern lassen, kein Abitur zu haben. So lange man sich für das Fach interessiert und bereit ist, seine Zeit dafür zu investieren, kann man es auf jeden Fall schaffen. Vor der Finanzierung eines Studiums schrecken viele zurück, vor allem wenn man davor schon einmal ein geregeltes Einkommen hatte. Dieses wieder aufzugeben ist nicht einfach. Es gibt allerdings viele Möglichkeiten, sein Studium zu finanzieren. Zum Beispiel durch elternunabhängiges BAföG oder auch Stipendien für genau diesen Bildungsweg. Ich habe mich für ein Aufstiegsstipendium bei der SBB beworben. Diese fördern explizit diejenigen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung haben und an diese ein Studium anschließen möchten. Das wichtigste bei diesem Weg ist, dass der Wille da ist. Ist dies der Fall, kann man alles schaffen.
Text- und Bild-Quelle: Blog Uni Koblenz Landau