Über das Eingehen von Risiken, das freie Denken und den Einfluss von Kunst auf das Business-Leben
Veröffentlicht am 18. Januar 2017Das Wort „Risiko“ hat für viele Geschäftsleute oftmals eine unveränderliche Bedeutung, nämlich, dass man sich in einen Kampf begeben muss.
Je nachdem, um welchen Geschäftsbereich oder welches Tätigkeitsfeld es geht, es gibt überall Risiken, die meistens von außen auf ein Unternehmen zukommen. Dies kann geopolitische und regierungsbedingte oder marktabhängige und ökonomische Ursachen haben. Als Manager strebt man es nicht unbedingt an, ein Risiko einzugehen bzw. dem Unternehmen ein solches aufbürden. Vielfach wird zwar das freie Denken gelobt und die Bereitschaft zu Neuem verkündet, aber die Realität sieht anders aus. Auch Business Schools, in denen Führungskräfte ihr Handwerk erlernen, sind in Bezug auf das Thema Risikobereitschaft eher konservativ.
Wenn Unternehmen Risiken vermeiden, so besteht in unserer schnelllebigen Welt die Gefahr, dass sie sich damit selbst lähmen. Aus diesem Grund ermutigen manche Business Schools ihre Studentinnen und Studenten, sich auf kalkulierte Glücksspiele während ihres MBA-Programms einzulassen und die Grenzen des Curriculums zu überschreiten, so dass sie sich wohl fühlen, wenn sie sich später in der reale Welt bewegen.
An der University of Chicago Booth zum Beispiel wurden Elemente in den MBA-Studienablauf integriert, welche das freie Denken im Rahmen von Kunstfächern propagieren. Dieses Angebot wird von John Michael Schert geleitet, einem Künstler im Ruhestand und ehemaligen Balletttänzer. Seit 2013 zählt er zum festen Lehrkörperteam an der Chicago-Booth und spricht mit den Studentinnen sowie Studenten über seine Erfahrungen mit der Leitung einer Tanzgruppe und wie er die Herausforderungen in dieser Künstler-Welt überwunden hat. Diese Kurse und aus dem Leben geformten Informationen sollen Menschen inspirieren, die Ideen und Methoden von John Michael Schert in die eigene Arbeit aufzunehmen und sie natürlich auch selbst anzuwenden.
Jene, die sich schon im Geschäftsleben befinden, fühlen sich durch die dort vorhandenen und häufig vorgegebenen Standardentscheidungsprozesse oftmals „erstickt“. Diese Ansicht schränkt aber die Fähigkeit ein, frei zu denken und neue Ansätze zur Lösung von Problemen zu testen. Gerade Mammut-Unternehmen folgen ihren Wegen wie auf Schienen, die meist unter dem Gewicht der Bürokratie ächzen. Mitarbeiter in solchen Unternehmen sind nicht selten überarbeitet und fühlen sich zumeist nicht (mehr) in der Lage, etwas Neues auszuprobieren. Die Präsenz von John Michael Schert an der Chicago Booth ermöglicht es ihm, seine Erfahrungen in der Kunstwelt vorerst in der Theorie weiterzugeben, aber mit dem Ziel, dass die Studentinnen und Studenten gleichzeitig ermutigt werden, alternative Ansätze zu betrachten und Arbeitsprozesse in anderen Kombinationen zu planen und durchzuführen.
MBA-Studentinnen und -Studenten sind häufig skeptisch und fühlen sich manchmal wie in einer Therapiestunde anstatt wie in einem Universitäts-Kurs. Sie nennen John Michael Schert die vielfältigsten Gründe, warum seine Denkweise für sie nicht funktionieren wird und zwar noch bevor sie sich detaillierter mit seinen Standpunkten und Ansichten befassen. Business Schools sind gut darin, Studierende zu lehren, wie sie mit Ideen kritisch umgehen und die Gründe zu ermitteln sowie aufzuzeigen, warum diese Ideen nicht funktionieren. Business School sind nach John Michael Schert jedoch schlecht darin, den Umgang mit positiven Lösungen zu lehren. Er nennt beispielsweise einen Fall, in dem ein internationaler Student fühlte, dass aufgrund kultureller und sprachlicher Barrieren den Respekt der Kolleginnen und Kollegen nicht gewinnen konnte. Herr Schert arbeitete mit ihm und erklärte ihm, dass er subtile physische Verhaltensweisen nutzen kann. Diese zeigten den anderen, dass er sie verstand, und gleichzeitig konnte er seine Sprachkenntnisse erweitern und verbessern.
Die Rolle von Herrn Schert an der University of Chicago Booth ist nicht das einzige universitäre Angebot, bei dem sich die Wirtschaft und die Künste verbinden. So kooperiert zum Beispiel das London Birkbeck College mit Central Saint Martins, einem renommierten Kunst- und Design-College, und bietet dabei einen Teilzeit-MBA-Kurs an, in welchem sich alles um kreative Bildung dreht. Und an der französischen Audencia Business School wird ein Programm unterrichtet, welches Künstlerinnen und Künstlern dabei hilft, ihre unternehmerischen Fähigkeiten zu verbessern.
Sicherlich kann man auch durch den Kunstbereich einige geschäftliche Fähigkeiten erlernen, und dabei darf durchaus auch ein wenig Leichtsinn im Spiel sein. Es gibt bereits Veränderungen in diese Richtung – wenngleich auch sie nur langsam gedeihen. Aber die Erlaubnis, innovativ zu sein, das offizielle Regelbuch zu ignorieren oder es auf eine neue Art und Weise zu betrachten, ist durchaus zu begrüßen. Die Wirtschaft wuchs und die Einsätze wurden höher, gleichzeitig ist sie auch besser organisiert und es spricht nichts dagegen, dass man darin ausgefallenem Denken einen Platz einräumt. Es müssen nicht immer komplexe neue Ideen generiert werden, es reicht bereits eine Veränderung in der Wahrnehmung. Dabei hilft auch die Rückbesinnung auf einen früheren unternehmerischen Geist, mit dem ein Henry Ford der heutigen Zeit keine Angst hat, die Schreie der Leute nach einem schnelleren Pferd zu ignorieren und stattdessen ein Auto zu bauen.
Text-Quelle: www.economist.com
Bild-Quelle: www.gaurabgurung.files.wordpress.com