Spezialisierte MBAs? Ein breiteres Wissen ist besser!
Veröffentlicht am 9. Juni 2016108 Jahre nachdem der erste MBA-Student in ein Klassenzimmer an der Harvard University trat, kann niemand verneinen, dass deren MBA-Programm bestmöglich ausgereift ist.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Programm möglicherweise Änderungen benötigt um weiterhin relevant zu bleiben. Manche sind der Überzeugung, dass vor allem jene MBA-Studiengänge eine Zukunft haben, welche sich auf ganz spezielle Bereiche der Wirtschaft fokussieren wie zum Beispiel das Programm Hospitality Revenue Management oder Thoroughbred Horse Racing, die an der Business School in Liverpool beziehungsweise in Charleston angeboten werden.
Diese höchst spezialisierten MBAs nehmen ihren Platz unter vielen anderen in der Business-Ausbildung ein, aber einige Wissenschaftler befürchten, dass sie sich zu schnell entwickelt haben und ihr eventuelles Potenzial sich als nachteilig erweist, wenn man ein Unternehmen als Ganzes betrachtet.
So etwa vertritt Andrea Masini als stellvertretender Dekan der HEC Paris Business School die Meinung, dass es nach wie vor einen beachtenswerten Bedarf an Jacks-of-all-Trades auf der höchsten Ebene von Unternehmen gibt. Damit sind Führungskräfte gemeint, die dazu fähig sind, andere Führungskräfte mit mehr Fachwissen zu beaufsichtigen.
Der Übergang zu MBA-Programmen, die ihre Schwerpunkte sehr stark eingrenzen, lässt seiner Aussage nach die Gefahr wachsen, dass es kaum noch Führungskräfte gibt, welche die mittleren Ebenen verwalten (können). Nichtsdestotrotz gewinnen die „MBAs in etwas“ weiter an Popularität. Andrea Masini ist sich dieses Dilemmas bewusst und schließlich pflegt die HEC Paris selbst enge Kooperationen mit dem französischen Luxus- und Energiesektor. Unabhängig davon wird die Welt jedoch immer komplexer und heterogener.
Die Wirtschaft braucht Menschen, die komplexe Fähigkeiten sowie Kenntnisse besitzen und in der Lage sind, damit umzugehen. Dies ist nach Andrea Masini aber nur möglich, wenn diese Menschen über eine solide pädagogischen Basis und ein generalistisches Know-how verfügen, welches sie während ihres MBA-Studiums sammeln sollten. Mit einem für eine Fachrichtung spezialisierten MBA riskiert man, sich eventuell in einen „Bunker“ zu setzen. Das würde dem ursprünglichen Zweck eines MBA-Studiums entgegenwirken, denn fieser verfolgt das Ziel, die für einen bestimmten Bereich erworbenen Fachkenntnisse in einer allgemeineren Management-Position umzusetzen.
Stefano Caselli, seines Zeichens Vizerektor für internationale Angelegenheiten an der italienischen Universität Bocconi, bewegt eine andere Sorge. Durch die fortschreitende Abwendung vom allgemeinen hin zum fragmentierten Studium läuft der MBA Gefahr, seinem eigenen Ruf zu schaden. Masters of Science-Abschlüsse in Business-Disziplinen wurden in den letzten zehn Jahren immer beliebter und viele Top-Universitäten bewerben sie bereits als ihre „Flaggschiff“-Programme. Auf diese Weise wird der Nischen-Studiengang MBA in Finance zum Beispiel bald zum direkten Konkurrenten für den Master of Science in Finance – und dabei kann der MBA das Rennen verlieren.
Das Konzept eines MBAs war und ist es (bzw. sollte es bleiben), Top Qualitätsmanager in vielfältigen Bereichen des Managements zu generieren – das zumindest fordert Andrea Caselli. Die Spezialisierung eines MBA ignoriert dies aber. In bestimmten Fachbereichen können spezialisierte MBAs nützlich sein, aber der Spezialisierungs-Trend sollte nicht zu stark um sich greifen, denn das könnte mehr Schaden als Gewinn bedeuten. Die Welt der Business School ist hart umkämpft und die einzelnen Institutionen müssen sich anstrengen, um sich in einem überfüllten Markt von ihren Konkurrenten unterscheiden zu können. Aber sie müssen sich auch dessen bewusst sein, dass sie die Lieferanten der Manager von morgen sind, und sie dürfen dieses Bewusstsein nicht aus den Augen verlieren – selbst dann, wenn die Anforderungen von Vorständen anders lauten. Natürlich hat ein umfangreiches Fachwissen etwa über Thoroughbred Horse Racing seinen Nutzen, jedoch nur solange, wie dieses nicht auf Kosten jenes Wissens geht, wie man beispielsweise eine Bilanz erstellt.
Text-Quelle: www.economist.com
Bild-Quelle: www.economist.com